Ein schwer erkrankter Mann möchte unbedingt noch die Geburt seines Enkelkindes miterleben. Aufgrund der Befunde muss Dr. Gesine Benze ihm sagen, dass es für ihn knapp werden könnte. Schließlich trifft sie eine Entscheidung, überredet die Schwiegertochter, im Patientenzimmer des Mannes eine Ultraschalluntersuchung durchführen zu lassen.
„So konnte er sein Enkelkind immerhin vor dessen Geburt noch erleben“, erzählte die Palliativmedizinerin aus Göttingen in der vergangenen Woche beim Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Vom Umgang mit der Zeit“ des Kirchenkreises Harzer Land in der Osteroder Stadthalle. Sie war gemeinsam mit Prof. Dr. Friedemann Nauck eingeladen, der sich an der Uniklinik Göttingen einen Namen in der medizinischen Begleitung von Menschen am Ende ihres Lebens machte.
Schon einmal hatte Prof. Dr. Nauck in Osterode referiert, auch diesmal waren er und seine Kollegin der Einladung des Kirchenkreises gerne gefolgt. Sie beide wollten deutlich machen, wie wichtig die Palliativmedizin ist und auch, dass sie nicht nur die letzten Tage oder Wochen umfasst. Vielmehr geht es ihnen um die Frage, wie wir Zeit gestalten, im Angesicht der Endlichkeit unseres Lebens und insbesondere, wenn Diagnosen dieses Ende näher rücken lassen.
Am Ende eines jeden Lebens stehe nun einmal eine Krankheit oder ein Nachlassen der Kräfte, so Prof. Dr. Nauck, daher sei es so wichtig, sich frühzeitig Gedanken über diese Phase zu machen. Es gehe bei Zeit schließlich nicht um Dauer, sondern um Intensität. Zum Glück gibt es viele Menschen, die Zeit schenken können, ergänzte Dr. Benze, in körperlicher, seelischer, spiritueller oder sozialer Hinsicht. Dadurch lasse sich das Lebensende gestalten und vor allem lebenswert zu machen.
„Hoffnung wirkt auch, ohne sich erfüllen zu müssen“, gab Friedemann Nauck den Zuhörerinnen und Zuhörern mit, bevor auf das Referat zum Thema „Zeit in Anbetracht von Endlichkeit – Perspektiven aus der Palliativmedizin“ noch ein längerer Block der Nachfragen, Anmerkungen und weiterer Impulse folgte.
Die Reihe wird am 28. März mit dem Vortrag „Aus der Erde sind wir genommen, zur Erde sollen wir wieder werden“ – Biblische Einsichten zu Zeitlichkeit und Endlichkeit“ von Pastor Johann-Hinrich Witzel in St. Marien und am 5. April mit dem Tagesseminar „Die Hoch-Zeit von Zeit und Ewigkeit – Was Märchen vom Sterben erzählen“ mit Dr. Brigitte Furche aus Tübingen im Kirchenzentrum Osterode fortgesetzt.
Christian Dolle