Für Johann war es spannend, die schmalen Stufen hinaufzusteigen, die kleine Tür aufzuziehen und dann von oben die St. Aegidienkirche aus einem ganz anderen Blickwinkel zu sehen. Daher benannte er die Kanzel als seinen Lieblingsplatz als Sascha Barth ihn und die anderen Kinder danach fragte. Für den Pastor selbst aber ist die Kanzel kein Lieblingsplatz in der Kirche.
Es war eine von vielen Ferienpassaktionen, die Marktkirche sollte gemeinsam erkundet werden und natürlich auch der hoch über dem Kornmarkt thronende Turm. Bevor es hoch hinauf ging, erklärt Sascha Barth jedoch erst einmal, was ein Pastor eigentlich so macht, es gab einige Mitmachlieder und ein paar Rätselaufgaben in der und um die Kirche.
So erfuhren Johann und die anderen eben, dass die Söse zum Teil noch unter der Kirche entlang fließt, was sie an den feuchten Mauern des Turmes sogar fühlen konnten. Zum Glück aber ist es nicht so feucht, dass es gefährlich werden kann, denn auch vor 800 Jahren wussten die Menschen schon, wie man sichere Kirchen und Türme baut.
„Der Turm war ursprünglich ein Wachturm für die Stadt“, erklärte Sascha Barth, von hier aus wurde nach Feinden Ausschau gehalten und im Fall der Fälle wurden andere Wächter auf dem Turm der alten Burg oder dem Turm der Schlosskirche St. Jacobi dann gewarnt. „Ach, so ähnlich wie mit den Leuchtfeuern bei ‚Der Herr der Ringe‘?“, fragte ein Mädchen. Ja, so ähnlich, nur ohne Hobbits, denn die gibt es im Harzer Land nicht... oder sie wurden zumindest noch nicht entdeckt.
Die Kanzel über dem Altar wurde früher jedenfalls so hoch gebaut, damit die Menschen in der Kirche den Pastor gut hören konnten, denn es gab ja noch keine Mikrofone, erzählte Sascha Barth. Er aber steht nicht gerne dort oben, denn dann sei er viel zu weit weg von den Menschen. Sein Lieblingsplatz sei der Altar. „Der Altar und das Taufbecken sind nämlich die zwei wichtigsten Orte hier in der Kirche“, sagte er, der Altar, weil darauf beim Abendmahl das Brot und der Traubensaft stehen und wir so zeigen, dass Gott immer nah bei uns ist, und das Taufbecken, weil dort viele Kinder unter Gottes Schutz gestellt werden.
Der Höhepunkt des Vormittags war dann aber die gemeinsame Turmbesteigung. Viele enge Treppen führen dort hinauf, also mussten sich alle zu ihrem Schutz gut an den Geländern festhalten. So kamen sie alle aber sicher ganz oben an und konnten die großen Glocken bewundern und sogar einmal mit dem Hammer dagegen schlagen. Ob sich wohl jemand unten in der Stadt über die außergewöhnlichen Glockenschläge gewundert hat?
Christian Dolle