Auf Tour für die Tafel. Lebensmittel vor der Mülltonne retten. Das ist heute meine Mission. Morgens um 7 Uhr geht es in Osterode los, Frank nimmt mich mit. Er selbst fährt seit Jahren für die Tafel, holt mehrmals pro Woche Waren, die nicht verkauft wurden, bei Supermärkten in der Region ab.
Er hat seine feste Tour, erklärt er mir, weiß genau, ab wann er wo vorfahren kann, um die Kisten abzuholen und in den Lkw zu laden. Für mich ist alles neu, bisher wusste ich nur theoretisch, welche Logistik überhaupt nötig ist, damit der gemeinnützige Verein die etwa 500 Kund*innen der Ausgabestellen in Osterode sowie in Bad Grund, Bad Lauterberg, Barbis, Clausthal-Zellerfeld, Duderstadt, Gieboldehausen, Gittelde, Herzberg, Scharzfeld und Wulften versorgen kann.
Unsere Tour beginnt in Herzberg, ich gehe auf Franks Anweisung in den ersten Markt hinein, melde mich beim Personal und gehe dann gleich durch ins Lager, wo schon einige Kisten auf ihre Abholung warten. Ehrlich gesagt muss ich ein wenig suchen, um den Knopf für das große Tor der Laderampe zu finden, dort nimmt Frank die Kisten in Empfang.
Allerdings werden sie nicht einfach eingeladen, sondern umgepackt und dabei durchsortiert. Zum einen müssen es alles gleiche Kisten sein, damit sie in Osterode richtig gelagert werden können, zum anderen werden nur die Lebensmittel mitgenommen, die auch noch weitergegeben werden können. Es ist ein Samstag, die Waren müssen also bis Montag gelagert werden, bevor sie dann an die Ausgabestellen geliefert werden. Abgepackter Salat beispielsweise wird nicht mitgenommen, da der übers Wochenende zu anfällig ist.
Zielsicher greife ich gleich einen Joghurtbecher mit einem Riss, aus dem der Inhalt quillt, auch der muss natürlich entsorgt werden. Schnell die Hände abwischen und weiterpacken. Es ist ungewohnt, mir fehlt noch der Blick dafür, was aussortiert wird, aber es ist faszinierend, wie routiniert Frank das macht.
Beim nächsten Markt geht es für uns gleich nach hinten an die Laderampe, hier stehen die vorsortierten Kisten schon bereit. Unsere Tour führt über Osterode nach Teichhütte. Kevin Stranski reicht uns hier die Kisten sogar an. Wie viele andere Mitarbeitende in den Märkten weiß er um die Bedeutung der Tafel für viele Menschen und schätzt ebenso den Gedanken der Nachhaltigkeit.
Ja, es wäre schade um das Obst und Gemüse, Brot, Milchprodukte, Süßigkeiten und vieles andere, was sonst weggeworfen werden müsste. Und natürlich wissen die Mitarbeitenden in den Märkten auch die eingespielten Abläufe zu schätzen, dass sie die Waren oft nur hinstellen müssen, keine zusätzliche Arbeit dadurch haben.
Zugegeben, mir müssen sie an diesem Tag oft die Wege weisen, Frank hingegen fährt an einigen Märkten nur vorbei und sieht schon von der Straße aus, ob dort Kisten stehen, ob sie heute etwas für uns haben. Unsere Tour führt über Wulften nach Gieboldehausen, zu insgesamt 17 Märkten. Zeit für eine Pause oder ein Schwätzchen bleibt nicht, alles ist eng getaktet, echte Arbeit eben.
Zurück in Osterode müssen die Kisten schließlich noch aus dem Fahrzeug ins Kühlhaus gestapelt werden. 46 Kisten sind es insgesamt, alle randvoll mit Lebensmitteln für Menschen, die sich sonst eine ausgewogene Ernährung nur schwer leisten können. Mittlerweile ist Mittagszeit, mehr noch als meinen Magen spüre ich aber meinen Rücken. Da ich sonst ja meist nur am Schreibtisch sitze, ist die Arbeit doch ungewohnt.
Frank bewundere ich aber nicht deswegen, sondern weil er wie viele andere seinen Dienst für Menschen tut, die auf Hilfe angewiesen sind. Weil er tatkräftig hilft, die Schere zwischen Arm und Reich in unserer Gesellschaft nicht noch weiter auseinanderklaffen zu lassen. Weil er freiwillig eine Aufgabe übernimmt, die es meiner Meinung nach eigentlich in einem reichen Land wie Deutschland gar nicht geben dürfte. Doch zum Glück gibt es Menschen wie ihn, zum Glück gibt es die Tafel und ich habe heute noch einmal mehr Respekt für all jene bekommen, die sich hier für Menschen und auch für die Schattenseiten des Konsums engagieren.
Christian Dolle