Wie solidarisch ist unsere Gesellschaft? Wie steht es um das Miteinander der Generationen?“, fragte Pastor Andreas Schmidt bei der Andacht zu Beginn der Maikundgebung auf dem Osteroder Martin-Luther-Platz. Nicht sonderlich gut, gab er schnell die Antwort, die Jungen würden oft gegen die Alten ausgespielt. Dabei brauchen wir definitiv beide, zu allen Zeiten und in allen Lebensbereichen.
So leisteten die Alten einen Großteil der ehrenamtlichen Arbeit, die bei uns immer wichtiger wird, noch dazu sei ihre Lebenserfahrung unverzichtbar. Auf der anderen Seite brauchen wir den Fortschritt und auch ein soziales Netz, was wiederum heißt, dass wir auf den Nachwuchs an Fachkräften angewiesen sind. Die kann es aber nur geben, wenn unsere Gesellschaft Perspektiven bietet. „Es muss Schluss damit sein, dass Kinder in Armut leben“, machte Pastor Schmidt deutlich.
„Ungebrochen solidarisch“, lautete das Motto der diesjährigen Kundgebung, ein Motto, das auch in der Kirche gilt. Als Verdeutlichung, wie es gelebt werden kann, ließ er nun zum Vater unser und Segen die Jugend ran, genauer gesagt die Jugendkirche Paulus. Es geht eben auch generationenübergreifend.
Anschließend gab es dann speziell für Andreas Schmidt, den Stefan Kienzle als „Ausnahmeerscheinung“ mit für Kirche tollen kreativen Ideen lobte, von der Waiting Room Jazzband den Titel „Schmidtchen Schleicher“. Eine schöne Anerkennung, bevor es dann eindeutig politisch wurde. Sven Ludwig als DGB-Vorsitzender merkte an, dass sich derzeit viele Menschen aus der Demokratie zurückzögen, einige, die nicht mehr an Prozessen teilnehmen, andere sogar, um sie zu untergraben. Genau dagegen richte sich die Maikundgebung, die unser solidarisches System stärken will.
Bürgermeister Jens Augat bezeichnete den Tag der Arbeit als Tag der Solidarität und erinnerte an viele Erfolge der Gewerkschaften für die Menschen. Zudem ging er auf den Krieg in der Ukraine ein, der die Ursache für vieles sei, was auch uns betrifft, und ebenso auf den Klimawandel, den es gemeinsam zu meistern gilt. „Deshalb fordere ich, dass auch die Super-Reichen ihren längst überfälligen Beitrag leisten“, sagt er.
Hauptrednerin war Ute Gottschaar, stellvertretende Landesleiterin von ver.di für Niedersachsen und Bremen. Sie erinnerte an die Bedrohung der Gewerkschaften im Dritten Reich und bedauerte, dass die Rechte heute wieder erstarke. Der Krieg war auch in ihrer Rede Thema, da er von uns Solidarität erfordere, wenn Geflüchtete zu uns kommen. Außerdem sei er einer der Hauptgründe für die derzeitige Inflation, der wir ebenfalls nur gemeinsam begegnen könnten, also durch staatliche Hilfen, die der DGB bereits durchgesetzt habe, aber auch Lohnerhöhungen in vielen Bereichen, damit jede und jeder wieder von ihrer bzw. seiner Arbeit leben kann.
„Der Klimawandel bedroht unsere Existenz“, fuhr sie fort, doch auch hier müssten Lösungen gefunden werden, bei denen nicht Menschen, die zu den finanziell Schwächeren gehören, am Ende hinten runterfallen. Bildung, Fachkräfte und die Ausbildung von Nachwuchs seien wichtige Bausteine, ebenso Investitionen in Infrastruktur, Schulen, Wohnraum, ein gerechtes Steuersystem und die Stärkung der Sozialsysteme.
Mit mehr beschwingter Musik der Waiting Room Jazzband, Kaffeespenden vom Verein „Bunt statt braun“ und einem Spielangebot der Jugendkirche wurde nach den Reden noch weiter gefeiert, denn auch das gehört zum Miteinander nun mal dazu.
Christian Dolle