Die Kirche ist nur von Kerzen erleuchtet und in blaues Licht getaucht. Das Klirren und Scheppern von Ketten ist zu hören, dann herrscht fast unheimliche Stille. Vor dem Altar brennt in einer Schale ein Feuer, bis Pastor André Dittmann die kleinen Flammen auspustet und in der verbliebenen Asche eine Blume pflanzt.
„Nie wieder!“ war das Motto des 18mal6-Gottesdienstes am 9. November in der St. Salvatoris-Kirche in Clausthal-Zellerfeld. Wie könnte das Thema passender sein in Erinnerung und Ermahnung an die Reichsprogromnacht 1938. Pastor André Dittmann erinnerte daran, dass die St. Salvatoris-Kirche vom 5. auf den 6. November 1945 einen Zug der sogenannten Todesmärsche beherbergte. „In unserem Fall wurden 450 KZ-Häftlinge aus dem Kloster Brunshausen bei Bad Gandersheim nach Wernigerode verlegt und von der SS für die Nacht halb verhungert und verdurstet, noch dazu an Durchfall leidend, eingepfercht. Dass diese Menschen in ihrer Lage selbstverständlich ihre Notdurft verrichten mussten, nahm die SS am nächsten Tag zum Vorwand für die Erschießung von 21 Häftlingen. An die erinnert eine Stele vor der Kirche“, führte der Pastor aus.
Interview mit Sarah Vogel
Diesmal war außerdem ein besonderer Gast zum Interview geladen: Sarah Vogel, Referentin für historisch-politische Bildung im Landesjugendpfarramt der Landeskirche Hannovers. Ihre Aufgabe besteht unter anderem darin, die Dialogbereitschaft unter Jugendlichen zu fördern und Gruppen durch die Gedenkstätte Bergen-Belsen zu begleiten. Sarah Vogel kam mit Pastor André Dittmann darüber ins Gespräch, warum das Gedenken an die Progromnacht wichtig für heute ist – und bleibt – jedes Jahr auf’s Neue. Und wie man mit rassistischen, antisemitischen und überhaupt menschenfeindlichen Parolen und Haltungen umgehen kann, wenn sie einem begegnen. „Lassen Sie uns probieren, Sprache etwas neutraler zu gestalten, damit sie niemanden diskriminiert. Und wir sollten ehrliche Gespräche und offene Dialoge führen“, gab sie mit auf den Weg, bevor es an diesem Abend für die Besucher*innen praktisch wurde.
Verschiedene Workshops
Denn der 18mal6-Gottesdienst lebt davon, dass es keine klassische „Frontalpredigt“ gibt, sondern kleine Workshops und Wissenswertes an verschiedenen Stationen, wie eine Bildbesprechung, Antisemitismus – ein Blick in die Zeiten, Gespräche zum Thema „Hilflos sein“, Bibelworte, die belegen, dass „unser Kreuz keine Haken hat“ oder auch Klageworten auf Glaswassertropfen. Damit wurde das Thema „Nie wieder!“ mit praktischen Übungen und Gesprächsrunden vertieft. Die stimmungsvolle musikalische Begleitung übernahm Claudia Schaare, Chorleiterin und Organistin aus Rhüden.
Der nächste 18mal6-Gottesdienst beginnst am Samstag, 14. Dezember, um 18 Uhr in St. Salvatoris. Dann zum Thema: Psst! Hör doch mal! - vom Umgang mit (Weihnachts-) Geheimnissen.
Mareike Spillner