Der ärztlich assistierte Suizid

Nachricht Osterode, 12. Januar 2023

Interview mit Prof. Dr. Friedemann Nauck

@Prof. Nauck

Am Dienstag, 17. Januar ab 19 Uhr lädt der Kirchenkreis Harzer Land zu einer Veranstaltung zum Thema „Der ärztlich assistierte Suizid“ in die Osteroder Stadthalle ein.

Gast ist Prof. Dr. Friedemann Nauck, Direktor der Abteilung Palliativmedizin an der Universitätsmedizin Göttingen und Inhaber des Lehrstuhls und der Stiftungsprofessur für Palliativmedizin der Deutschen Krebshilfe. Wir haben ihm vorab einige Fragen zu seinem doch recht emotionalen, brisanten und komplexen Thema gestellt.

 

 

 

Herr Prof. Dr. Nauck, können Sie für jemanden, dem das Thema völlig fremd ist, kurz definieren, was ärztlich assistierter Suizid konkret bedeutet?

 

Der „(ärztlich) assistierter Suizid“, wird definiert als Handlung (einer Ärzt*in), einer Person auf deren freiwilliges und angemessenes Verlangen hin die eigenständige Selbsttötung zu ermöglichen, z.B. indem eine Medikation zur Selbstverabreichung bereitgestellt wird.

 

 

Warum glauben Sie, dass es wichtig ist, dass in der Öffentlichkeit über dieses Thema diskutiert wird?

 

Das Thema „assistierter Suizid“ oder der sehr unklare Begriff „Sterbehilfe“ beschäftigt nicht nur die Betroffenen, die sich darüber Gedanken machen, wie sie aus dem Leben scheiden könnten, sondern in besonderer Weise auch die Behandelnden sowie Politik und Gesellschaft. Der Umgang mit Menschen, die sich über einen „assistierten Suizid“ Gedanken machen oder diesen gar für sich in Anspruch nehmen wollen ist herausfordernd. Dabei ist jedoch nicht immer klar, was Menschen unter dem Begriff „Sterbehilfe“ verstehen. Hinter dem Begriff „Sterbehilfe“ kann sich sowohl die Hilfe beim Sterben, als auch die Hilfe zum Sterben verbergen. Insofern ist es aus meiner Sicht wichtig, dass wir das Thema offen ansprechen, ins Gespräch darüber kommen und die Begrifflichkeiten definieren.

 

 

Warum ist der ärztlich assistierte Suizid immer noch ein Tabuthema, über das so selten in größerem öffentlichen Rahmen geredet wird?

 

Dem „ärztlich assistierten Suizid“ kommt eine besondere Bedeutung dadurch zu, dass Ärztinnen und Ärzte hier ihre beruflichen Kompetenzen nutzen, d.h. dem Sterbewilligen den Weg in ihrer professionellen Rolle ebnen. Strafrechtlich gesehen ist auch die ärztliche Assistenz im Falle eines freiverantwortlichen Suizids straflos. Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) hat zum ärztlich assistierten Suizid erklärt, „dass die Herbeiführung des Todes aus ärztlicher Sicht keine therapeutische Option darstellen darf, da damit das zugrundeliegende Problem einer am Leben orientierten Leidenslinderung nicht gelöst wird.“ Es bedürfe „weiterhin zunehmender Anstrengungen, den Patienten und ihrem Umfeld Unterstützung anzubieten, wozu auch die respektvolle Auseinandersetzung mit Todeswünschen von Patient*innen - wie auch Suizidwünschen im engeren Sinne - gehört“.

 

 

Ist es für Sie ein medizinisches, ein juristisches, ein ethisches oder ein theologisches Thema oder gar alles zusammen?

 

Zunächst ist es ein Thema des Betroffenen und oftmals auch seiner An- und Zugehörigen. Mit dem Wunsch nach assistierten Suizid drückt der Mensch seine große Not aus, indem er sich offenbart, dass es so nicht mehr leben möchte. Insofern ist es für mich als Arzt ein medizinisches Thema, da es oft die Verzweiflung aufgrund einer hohen Symptomlast wie starke Schmerzen, Luftnot, Schlaflosigkeit etc. bedeuten kann, die nahezu immer durch gute palliativmedizinische und pflegerische Maßnahmen gelindert werden können. Natürlich sind es für unsere Gesellschaft auch ethische, juristische oder spirituelle Herausforderungen.

 

 

Nach den Thesen Ihres Vortrags möchte ich nicht fragen, dazu dient ja die Veranstaltung selbst, aber können Sie einige kurze Stichworte nennen, um was es am 17. Januar gehen wird?

 

Ich werde über das Lebensende und das Recht auf Selbstbestimmung sprechen und versuchen darüber zu informieren, was die verwirrenden Begriffe Sterbehilfe, Sterbebegleitung und assistierter Suizid beinhalten und die aktuelle Diskussion um den ärztlich assistierten Suizid und die Suizidprävention darstellen. Wichtig ist mir dabei auch meine Sichtweise als Palliativmediziner zu dem Thema zu verdeutlichen und auch mögliche Alternativen ansprechen.

 

 

Für wen, denken Sie, lohnt sich ein Besuch der Veranstaltung?

 

Der Besuch der Veranstaltung könnte sich lohnen, wenn sich jemand mit dem Thema bereits befasst hat, oder mehr erfahren möchte, was ich als Palliativmediziner und Arzt über das sensible und sicher nicht einfache Thema denke.

 

 

Mögen Sie verraten, wie Sie persönlich zu diesem Thema kamen?

 

Wenn man offen und seit vielen Jahren mit Patient*innen in Kontakt ist und gut zuhören kann, der wird von Patient*innen auf das Thema angesprochen und muss sich persönlich positionieren um Antworten geben zu können. Darüber hinaus habe ich mich bereits 2002, als in den Niederlanden die „Euthanasie“ unter bestimmten Bedingungen straffrei blieb, mit diesem herausfordernden Thema beschäftigt.

 

 

Vielen Dank für das Interview.

Christian Dolle