Komponieren könne jeder, haben sie gesagt. Auch ohne Noten und ohne ein Instrument zu spielen, haben sie gesagt. Das kann doch gar nicht sein! Wie soll das denn bitte klingen? Nun ja, die Ergebnisse der „Compose IT!-Rallye“ auf dem Osteroder Schlossplatz brachten am vergangenen Samstag Erstaunliches zu Gehör.
Im Rahmen des Kirchenmusikfestes wurde in St. Jacobi das Jugendmusical „London Dreams“ unter der Leitung von Jörg Ehrenfeuchter aufgeführt. Zuvor hatten die Kinder und Jugendlichen sowie alle Interessierten die Gelegenheit, Stücke aus diesem Musical neu zu komponieren und von Musikern des Asambura Ensembles aus Hannover interpretieren zu lassen. Dazu gab es mehrere Stationen, die das Komponieren auf kreative und spielerische Weise ermöglichten.
Zuerst einmal war da die Melodie, in diesem Falle eben eine aus dem Musical. Die Neufassung bekam einen Titel und anschließend einige Bilder, die Inspirationsquelle und zugleich Sinnbild für die Stimmung des Stückes sein sollten. Dann duften die Teilnehmer eine Kurve zeichnen, wie sie sich die Intensität ihrer Komposition feststellen und anhand von verschiedenen Materialien von weich bis hart die Emotionen, die die Musik an verschiedenen Stellen hervorrufen soll.
Diese individuell gestalteten Klangbilder wurden schließlich Asal Karimi (Violine), Barbara Hartrumpf (Violoncello) und Thomas Schacht (Percussion) vorgelegt und kurz mit ihnen besprochen, bevor diese zum gegebenen Input improvisierten und neue Stücke daraus schufen. Die Zuhörer wie auch die Komponisten selbst waren nicht selten erstaunt, wie viel aus den Bildern eindeutig in der Musik wiederzuerkennen war. Über einiges wurde noch einmal diskutiert, so dass der gesamte Prozess bei vielen ein tiefes Verständnis für bzw. ein intensives Nachdenken über Kreativität und Musik hervorrief.
Dieser erste Teil war somit eine ungewöhnliche und bereichernde Erfahrung, die allein es schon wert war, am Fest teilzunehmen. Während die meisten Erwachsenen nun erst einmal Kaffee und Kuchen genossen, warfen sich die Kinder und Jugendlichen in ihre Kostüme und machten sich auf den Weg in die Innenstadt. Dort beim Aktionstag der Lebenshilfen, wo gerade die Band „Purple Trees“ ihren Soundcheck machte, verteilten sie noch einmal Flyer und warben für ihr Musical.
Das zeichnete sich auf den ersten Blick durch hochwertige Kostüme aus und auf den zweiten durch ebensolche musikalischen sowie darstellerischen Leistungen. Es erzählte eine Geschichte aus der Zeit der grausamen Herrschaft Heinrich VIII um Prinz Edward und den Betteljungen Tom nach dem Roman „Prinz und Bettelknabe“ von Mark Twain. Somit war es vielleicht greifbarer als die frei interpretierten Stücke der Rallye, doch gerade im Zusammenspiel von beidem zeigte sich an diesem Tag eine kreative und musikalische Fülle, die sich wohl nur live erleben lässt.
Christian Dolle