Wenn Pop- und Rockstars mehr als 50 Jahre auf der Bühne stehen, dann werden sie als große Ausnahme im schnelllebigen Musikbusiness gehandelt und ihnen wird größter Respekt entgegengebracht. Bei Kirchenmusikern ist der Rummel in der Regel nicht so groß, obwohl die Lebensleistung nicht geringer ist. Daher wurde Friedel Dapra am gestrigen Sonntag für 50 Jahre Musik im Kirchenkreis Harzer Land geehrt.
1975 – Rod Stewart eroberte mit „Sailing“ die Charts und viele Herzen; Alice Cooper begründete mit „Welcome to My Nightmare“ seine Solokarriere; Bonnie Tyler nahm ihre erste Single auf. In jüngster Zeit bekundete Rod Stewart auf der Bühne auch gegen vehemente Kritik seine Solidarität mit der Ukraine, Alice Cooper rockte die Waldbühne in Northeim und Bonnie Tyler veröffentlichte gerade vor fünf Tagen ihr neues Video „Yes I Can“.
Friedel Dapra spielte Silvester 1974 erstmals in der Kirche Zum guten Hirten auf der Orgel. In den Charts war er zwar nie, dafür aber spielte er sich in den folgenden Jahren in 4000 bis 5000 Gottesdiensten in die Herzen vieler Osteroder und auch weit darüber hinaus – oft auch bei den ganz wichtigen Wendepunkten im Leben. Von Nörten-Hardenberg bis in den Oberharz war er unterwegs, manchmal, so verriet er, „musste ich erst einmal gucken, wo der Ort überhaupt ist“.
Damals gab es in Zum guten Hirten noch wöchentlich einen Gottesdienst, allerdings habe er auch häufig in sehr kalten Kirchen spielen müssen. „Auch Orgeltasten werden manchmal ziemlich kalt“, berichtete er. Vieles hat sich seitdem verändert, allerdings hofft er sehr, dass er noch ein paar Jahre weitermachen kann.
Dass er das kann, bewies er in St. Marien zusammen mit den Osteroder Gospelsingers, die den Gottesdienst zum Dreikönigstag mitgestalteten. Pastor Sascha Barth erinnerte daran, wie orientierungslos wir oft sind, während die drei Weisen aus dem Morgenland sich damals unablässig vom Stern leiten ließen. Sie orientierten sich nicht an Herodes, liefen nicht der Macht nach, sondern dem Leben, das in Gestalt eines Kindes zu uns kam.
„Du hast vielen Menschen diesen Stern gezeigt“, dankte Sascha Barth Friedel Dapra für seine kirchenmusikalische Arbeit und erinnerte daran, dass dieser Stern uns bis heute zielsicher den Weg weist.
Ein Star am Rock- oder Pophimmel sind Kirchenmusiker eher selten. Doch in diesem Gottesdienst wurde wieder einmal deutlich, wie wichtig sie für das kirchliche Leben und auch für die Musikkultur vor Ort sind. Zum Glück, so sagt Friedel Dapra, gibt es aktuell genug Nachwuchs und auch Nachwuchsförderung (im Harzer Land durch Jörg Ehrenfeuchter), doch auch der Gospelchor sucht immer wieder Menschen, die Spaß an der Musik und am Singen haben.
Christian Dolle